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Dagmar Hohnecker

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Der Energieausweis oder: Was wirklich zählt

Artikel vom 01.07.2008

Ab 1. Juli 2008 müssen Vermieter, Verpächter und Verkäufer von Wohngebäuden, die bis 1965 errichtet wurden, den Energieausweis vorlegen können. Der Nachweis, dass das die Gebäude der Energieeinsparverordnung (EnEV) entsprechen. Doch Papier ist bekanntlich geduldig. Ein paar Hinweise sollen helfen, sich im Dschungel zu Recht zu finden.

Die EnEV ist Bundesrecht und löst keine landesrechtlichen Bauvorgaben ab. Sie ist insofern auch relativ wirkungslos für den Mieter, da er bei Nichteinhalten der EnEV seinen Vermieter rechtlich nicht zur Verantwortung ziehen kann. Es muss kein Vermieter eine neue Heizung einbauen, weil die Verbrauchskosten zu hoch sind, auch wenn dies eindeutig auf eine ineffektive Anlage zurückzuführen ist. Wenn der CO2-Ausstoß die Grenzwerte nicht überschreitet, bleibt der Notstand fachgerecht dokumentiert. Ein Rechtsanspruch ergibt sich daraus nicht. Was passiert? Die Heizungen werden in der Regel so eingestellt, dass sie mit minimaler Effektivität laufen. Energetisch und verbrauchstechnisch. Ein Bärendienst für die Umwelt.

Es gibt zwei Arten von Energie-Ausweisen: Den Verbrauchsausweis, der vorwiegend das Nutzerverhalten der Mieter spiegelt, und den Bedarfsausweis, die die Anlagen- und Gebäudesubstanz berücksichtigt. Der Verbrauchsausweis gilt für Wohngebäude. Den Wert, den ein Vormieter in einer Wohnung erzielt hat, sagt also absolut nichts über den Eigenverbrauch aus, da das Wärmeempfinden unterschiedlich ist. So fühlen sich zum Beispiel ältere Leute in einer wärmeren Wohnung wohler. (Frauen rate ich, darauf zu achten, dass eine Fußbodenheizung vorhanden ist, die in jedem Raum individuell geregelt werden kann.) Der Verbrauchsausweis kostet um die 50 Euro und darf von ausgewählten Fachbetrieben oder Planungsbüros erstellt werden. Der Bedarfsausweis ist wesentlich komplizierter und damit auch teurer. Nicht jeder darf diesen Ausweis ausstellen. Nur Architekten, Fachplaner und Energieberater. Eine Auswahlhilfe dazu bietet die EnEV online . Eine Berechnung des Energiebedarfs ist teuer, zeitaufwendig und zumeist falsch, wie der Verband Privater Bauherren (VPB) festgestellt hat. Unschön sind die energetischen Differenzen, die beim Einsatz minderwertiger (billigerer) Materialien entstehen, wenn man sich nicht exakt an die Werkstoffe, die in den Energieberechnungen vorgesehen sind, hält. Überhaupt fallen Baumängel (z.B. bei Fenstern und Türen) stärker ins Gewicht, als es uns lieb sein dürfte. Achten Sie bei den Berechnungen auch darauf, dass wirklich nur die Technik mit einbezogen wird, die zum aktuellen Stand auch vorhanden ist. Eine mögliche Wärmepumpe, die zwar vorgesehen, aber noch nicht eingebaut ist, verfälscht das Ergebnis evident.

Was ist eigentlich Energieeffizienz? Politik und Medien verkaufen uns dieses Stichwort im Allgemeinen mit dem Nachsatz, dass wir Energie einsparen müssen. Also handeln, wenn das Kind bereits in den Brunnen gefallen ist. Rein physikalisch gesehen bedeutet Energieeffizienz: Die wirkungsvolle Umwandlung und Nutzung von Energie. Diese Definition bezieht sich auf alle Energieformen: Primärenergie (abzüglich Umwandlungsverluste), Endenergie (abzüglich Verbrauchsverluste) und Nutzenergie. Die Energiebilanz eines Bechers Erdbeerjoghurt sieht in unserem Land düsterer aus, als die einer Heizungsanlage aus den Sechziger Jahren, weil das Gesamtsystem unberücksichtigt bleibt. Jeder pickt sich nur seinen Teil heraus und erklärt es für energieeffizient.

Noch ein paar Zahlen, für alle, die gerne mit Zahlen um sich werfen: Wo vermuten Sie die meisten Energieverluste bei einem Haus? Das Dach? Falsch, die Außenwände sind der kritische Bereich. Eine effektive Dämmung bringt dort bereits eine Einsparung von 40 - 50%. Das Lüften? Falsch, die Fenster und deren Einbau sind das Problem, besonders, wenn noch Rolllädenkästen vorhanden sind. Da nützt die beste Außendämmung nichts: Bis zu 15% können die Verluste betragen. Weniger heizen? Nun, eine Absenkung der Raumtemperatur um 1 Kelvin bedeutet eine Energieeinsparung von 5%. Die Ausgaben für die Heizung müssen gesenkt werden? Falsch, in Deutschland wird mehr und mehr Energie für Kühlung benötigt. Wie Sie sehen, ist das Problem tiefschichtig und komplex und sollte als solches auch angegangen werden. Einfache Lösungen bringen ein komplexes System womöglich schneller aus dem Gleichgewicht, als uns lieb sein dürfte.

Doch wo nun ansetzen mit einem beschränkten Budget? Durch die Veränderung und Sanierung der Bausubstanz kann über 50% Energie eingespart werden. Die Amortisationszeit beträgt allerdings 10 bis 60 Jahre (Lebenszyklus eines Gebäudes). Eine effektive Anlagentechnik spart 10 - 60% Energiekosten, hat sich aber auch in 2 bis 10 Jahren gerechnet. Moderne und intelligente Regelungen bei der Gebäude- und Hausautomation können bis zu 30% Energie einsparen. Deren Investitionskosten sind innerhalb von 5 Jahren gedeckt. Eine sinnvolle Lösung kann nur alle drei Bereiche umfassen. Nur so kommen wir auf Werte bis zu 75% Energieeinsparung, was, wie gesagt, noch nichts über die Effizienz der eingesetzten Energie aussagt. Der Energieaufwand für den Abbau der Rohstoffe, Betrieb der Umwandlungsanlagen, Regeneration der Rohstoffe und gegebenenfalls ihre Endlagerung stehen auf einem ganz anderen Energieausweis.

Die Art des Heizsystems sagt nichts, aber auch gar nichts, über die tatsächliche Öko- und/oder CO2-Bilanz aus. Die viel gepriesenen nachwachsenden Rohstoffe, im Speziellen Holzpellets, haben zwar bei der Verbrennung einen regenerativen CO2-Ausstoß. Der Anbau von Bäumen, die zudem 30 bis 50 Jahre Zeit zum nachwachsen brauchen, verdrängt jedoch die Anbaufläche von Lebensmitteln. Ähnlich wie Raps zur Öko-Dieselherstellung. Der CO2-Verbrauch und Energieaufwand zur Herstellung einer monokristallinen Solarzelle für die Stromerzeugung ist erschreckend und steht in keinem Verhältnis zu ihrer energetischen Ausbeute. Der Wirkungsgrad ist kleiner 15%, was daran liegt, dass Silizium nur einen geringen Teil des auftreffenden Lichtspektrums der Sonne in Strom umwandeln kann. Besser sieht die Ökobilanz bei der Erzeugung von Warmwasser aus. Wie auch immer Ihre Energieversorgung aussieht, vermeiden Sie die Abhängigkeit von einem Rohstoff oder einem Energieversorgungsunternehmen. Sie werden sonst zum Spielball ansteigender Preise.

Doch vorerst werden Sie für Sanierungsmaßnahmen zur Kasse gebeten. Kreditzuschüsse inklusive. Förderalsystem. In unserem Land passiert nichts ohne Subventionen über das Kreditgewerbe. Wie effizient mag denn ein System wohl sein, das sich über Mineralölsteuer, Stromsteuer, Subventionen für Großverbraucher und Abgaben für Kleinverbraucher über Wasser hält und just diesen rät, Energie zu sparen? Und wie immer wurde bei diesem Quantensprung (im Nanometerbereich!) in die Zukunft der Verbraucher in den Vordergrund gestellt: Er darf nicht nur bezahlen, sondern muss sich auch selbst darum kümmern, da ihm sonst Bußgelder drohen. Hier blitzt ein ganz neuer Aspekt des Verbraucherschutzes durch: Der Schutz vor dem Verbraucher. Eine ökologische Zukunft kann eben nur ökonomisch erreicht werden – oder umgekehrt?
(DHOH)